HOLLOW PEACE

In George Orwells Roman 1984 operiert die totalitär regierende Partei mit dem Slogan "Krieg ist Frieden", wobei Frieden der stets erwünschte und zu erreichende Zustand ist, der als Sehnsuchtsobjekt positioniert, aber nie erreicht wird. Über die Aufhebung des Gegensatzpaares Krieg und Frieden wird nicht nur die jeweilige Bedeutung aufgehoben, sondern beides wird gleichzeitig möglich. Wenn man beispielsweise an den Krieg gegen den Terror denkt, !nden Kriegseinsätze nicht nur während eines Friedenszustands statt, sondern Krieg wird als humanitäre Hilfeleistung deklariert (militaristischer Humanismus). Be !nden wir uns also mitten im Orwellschen Oxymoron? Die Deutungshoheit darüber, wie kriegerische Aktionen dargestellt werden, als friedenssichernde Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung etwa oder wer als Aggressor und wer als Friedensgarant eingestuft wird, ist heiß umkämpft. Manipulationstechniken, Umdeutungen und Darstellungen von Ereignissen, Verdrehung von Ursache und Wirkung sind Techniken verdeckter Kriegsführung. Was bedeutet das für unsere gegenwärtigen Vorstellungsbilder von Frieden in Zeiten von Fake News? Inwieweit sind unsere Friedensvorstellungen an den Kriegen der Ver - gangenheit ausgerichtet bzw. wie können Friedensbewegungen in der Gegenwart wirksam werden, welche Aufgaben stellen sich heute im Be - zug auf sich ständig verändernde Formen und Maskeraden kriegerischer Handlungen und Gewalt?

FRIEDEN ALS BEWEGUNG

Wenn man an die Friedensbewegung denkt, erinnert man sich u. a. an einen ihrer Höhepunkte in den 1980er Jahren, eine Massenbewegung, die als Reaktion auf das atomare Wettrüsten (Nato-Doppelbeschluss) der Großmächte USA und Sowjetunion, entstand. Die Bedrohung der atomaren Zerstörung beförderte ziviles Engagement als Bürgerrechts - bewegung, die sich aus VertreterInnen unterschiedlicher Initiativen, Organisationen und Klassen zusammensetzte. Die Eskalation des Wett - rüstens in den frühen 1980er Jahren kann als einer der Gefahrenhöhe - punkte im Kalten Krieg gesehen werden, in dem ja die Devise galt, dass durch eine Wa "engleichheit Sicherheit und Frieden gewährt seien, kurz, Aufrüstung ein Friedensgarant sei. Tatsächlich wurde die Kriegsgefahr dadurch erhöht. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den ideologischen Machtblöcken Kapitalismus und Kommunismus wurden nach Südamerika, Asien und Afrika verlagert, angetrieben von geopoli - tischen und ökonomischen Interessen. Der Friedenskonsens nach dem 2. Weltkrieg basierte außenpolitisch auf dem "Gleichgewicht des Schre - ckens" und innenpolitisch auf der sozialen Marktwirtschaft, die in den Ländern den sozialen Frieden sichern sollte. Nach der Wende 1989 veränderte sich die Friedensbewegung in Rich - tung Vermittlung, Kon fliktberatung, friedensstiftende Maßnahmen und Ausarbeitung friedlicher Lösungen für konkrete Kriegskon flikte. Auch wenn gegen Nato-Kriegseinsätze (ohne UNO-Mandat) noch große Menschenmengen auf die Straßen gingen, beispielsweise gegen den 15 16 militärischen Einsatz in Ex-Jugoslawien (1990er Jahren) oder gegen den Irakkrieg (2003), verlor die Friedensbewegung nach der Wende an ö"entlicher Präsenz und Sichtbarkeit. Der größte gemeinsame Nenner der Bewegungen in den Nachkriegsjahren, der Widerstand gegen die atomare Aufrüstung verlor in den europäischen Ländern mit der Abrüs - tung innenpolitisch an Brisanz, wurde jedoch zunehmend außenpolitisch zum Kon fliktherd, welches Land atomare Aufrüstung betreiben darf und welches nicht. Wie wird die Notwendigkeit militärisch aufzurüsten oder kriegerischer Einsatz gerechtfertigt? Säbelrasseln, Raketenstarts, militärische Manö - ver und Aktionen, der Besitz von Atomwa "en, Terrorismus etc. werden angeführt, um damit die Sicherheitskarte spielen zu können. Bedrohung der inneren Sicherheit von Außen oder die Verletzung völkerrechtlicher Abkommen werden als Legitimation angeführt, um die Notwendigkeit militärische Aufrüstung zu legitimieren. Gerade wenn es um die Dar - stellung davon geht, wer als Bedrohung gesehen wird oder wer völker - rechtliche Abkommen verletzt, werden oftmals alte Feindbilder bemüht und Propagandamaschinerien angeworfen, Informationskriege geführt, wie man das u. a. im Ukrainekon flikt oder auch bei Natoeinsätzen ohne UNO-Mandat beobachten konnte.

NARRATIONEN DER AUFRÜSTUNG

Um Politische Maßnahmen durchsetzen zu können, werden im Vorfeld bestimmte Narrationen immer wieder reproduziert, um Stimmungsfelder vorzubereiten, über die Zustimmung in der ö "entlichen Meinung er - reicht werden soll. Im Moment kann man Legitimierungs-Mechanismen für militärische Aufrüstung in Japan verfolgen, wo die Regierung Shinzo Abe den Kon flikt mit Nordkorea aber auch die militärische Stärke Chinas als Legitimation für Militarisierung und Änderungen der Verfassung nützt. Die Abe-Regierung arbeitet kontinuierlich daran, Schritt für Schritt die pazi !stische Nachkriegsverfassung, den entsprechenden Artikel 9 aufzuweichen. Laut Artikel 9 darf Japan keine regulären Streit - kräfte unterhalten, weshalb man sich in Japan mit einer Umbenennung in Selbstverteidigungskräfte behalf. Einen Meinungsstreit über die Interpretation von Artikel 9 gibt es seit den 1970er Jahren. "Anlass zur erneuten, heftigen Debatte gab ein Kabinettsbeschluss vom 1. Juli 2014: Damit änderte die Regierung ihre bisherige Auslegung von Art. 9 JV und ermöglichte die zuvor für verfassungswidrig gehaltene Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts, ohne den Verfassungstext zu ändern. Am 29. März 2016 traten die auf dieser "Neuinterpretation" beruhenden Sicherheitsgesetze in Kraft." Abe setze eine Verzwanzigfachung der Förderung militärischer For - schung, die Erlaubnis zu Einsätzen des japanischen Militärs in Übersee und ein Gesetz gegen Verschwörungen durch. Kritiker dieses Gesetzes weisen darauf hin, dass darin nicht de !niert ist, wer als kriminelle Grup - pe eingestuft wird und befürchten, dass das Gesetz gegen Gewerk - schafter, Bürgerrechtler, NGO Vertreter oder AktivistInnen beispielswei - se Klimaschützer und Atomkraftwerksgegner eingesetzt werden könnte, wie in Österreich der Terrorparagraph 278a StGB gegen Tierschützer.Artikel 9, die in der Nachkriegsverfassung verankerte Friedensklausel ist Bestandteil japanischer Identität, obschon es eine Wiederbewa "nung im Namen der Selbstverteidigung über die Jahre gegeben hat. Abe scheint es auf die Änderung dieses pazi !stischen Selbstverständnisses abge - sehen zu haben. Dieses aus der Nachkriegszeit stammende rechtlich verankerte Bekenntnis zum Frieden als nationales Selbstverständnis ist vergleichbar mit der österreichischen Neutralität, wenn man so will. In Japan wurde und wird aber gerade von amerikanischer Seite die militä - rische Aufrüstung gefordert bei gleichzeitigem Ausbau des US-Stütz - punktes Okinawa (35.000 US Soldaten, die nicht der japanischen Gerichtsbarkeit unterstehen). Die japanische Regierung zahlt jährlich für den US Militärschutz oder – je nach Betrachtungsweise – dafür, dass die USA Okinawa als Raketenabschussbasis benützen 1,9 Milliarden Dollar. Interessant ist, dass sich die Stimmung, was den Artikel 9 betri "t, im Land verändert hat, dass mittlerweile die Hälfte der JapanerInnen be - reits dafür sind, die pazi !stische Verfassung zu ändern, um eine o "ensi - ve Militärpolitik zu ermöglichen. 2015 gingen 120.000 auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Das Land ist diesbezüglich gespalten.

VERTRAGLICH GEREGELTE GEWALTSPIRALEN

Frieden (aber auch Unfrieden) basiert auf Verträgen, Bündnissen, völkerrechtlichen Abkommen und Übereinkünften, in denen Vergehen gegen diese Regelungen als solche de !niert werden und Vorgangs - weisen für den gegebenen Fall festgeschrieben sind. Die UNO als zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten de !niert als ihre wichtigsten Aufgaben gemäß ihrer Charta die Sicherung des Weltfrie - dens, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. O "ensichtlich sind jedoch gerade auch die vom Westen seit 1945 geführten Kriege bzw. Kriegseinsätze ohne UNO-Mandat, die alle ohne rechtlichen Folgen für die Verantwortlichen blieben. So verweist der Friedensforscher Daniele Ganser auf die Gewaltspiralen, die durch illegale Kriege, wie beispielsweise dem Irakkrieg von 2003 verursacht und in Gang gesetzt wurden. Der Angri " der NATO-Länder USA und Großbritannien erfolgte ohne UNO-Mandat, mit mehr als 1 Million Toten. Die ehemaligen O % - ziere und Geheimdienstmitarbeiter des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein bilden heute den Kern der sunnitischen Terrormiliz IS, welche Syrien destabilisiert und auch in Europa Terroranschläge ausübt. Ebenso illegal waren und sind die militärischen Interventionen in Syrien oder der Natoangri " auf Serbien 1999 – die Liste ist lang. Daniele Ganser zufolge handelt es sich bei den meisten militärischen Angri "en bei denen es oftmals um Regime Changes, ökonomische und geopolitische Interessen geht, um Verstöße gegen das Gewaltverbot. Gemäß UN-Charta darf kein Land ein anderes Land angreifen. Seit 1945 sind daher alle Kriege illegal. Es gibt nur zwei Ausnahmesituationen, in denen Krieg auch heute noch erlaubt ist: Das Recht auf Selbstverteidigung oder einen Krieg, der mit explizitem Mandat des UNO-Sicherheitsrates geführt wird. Mittler - weile scheint jedoch gerade der sogenannte Krieg gegen den Terror als Freibrief für militärische Aktionen zu gelten.

KÄMPFE UM DIE DEUTUNGSHOHEIT

Die Deutungshoheit, was als Grund für militärische Aufrüstung sowie Einsätze gerechtfertigt wird, ist heiß umkämpft und wird über Me - dien-Kampagnen geführt, um die Bevölkerungen auf Kriegseinsätze einzustimmen. Notwendigkeit von Krieg wird über die Gefährdung nationaler Sicherheit legitimiert. Dabei werden eigene aggressive, illegale Vorgehensweisen gerne versteckt oder sogar als Beitrag zur Friedenssicherung ausgegeben. Damit verbunden ist die Frage, wie sich ideologische Positionierungen sowohl in Bündnissen als auch in der Me - dienberichterstattung auswirken, welchen Ein fluss sie auf die Deutung von kriegerischen Handlungsweisen haben, kurz, ob Militäreinsätze als Friedensbruch, Friedenssicherung, Schutzmaßnahme oder Aggression dargestellt werden. Deutungshoheit, die Verschleierung eigener Kriegsabsichten, Des- und Fehlinformation, Manipulation, Destabilisierung etc. sind Techniken, die der nichtmilitärischen Kriegsführung zugerechnet werden können. Fronten, Interessen, Absichten, Verantwortlichkeiten und Zusam - menhänge werden durch verdeckte Kriegsführungen zunehmend undurchsichtig, verstärkt durch Propaganda und technologische Mög - lichkeiten (Drohnen, Cyberangri "e). Durch Verzerrung von Wirklichkeit, Täuschungsmanövern, Nichtzuordenbarkeiten etc. vergrößert sich das Anfälligkeitspotenzial für Propaganda. Alexander Kluge unterscheidet zwischen wirklichem Krieg, den man beobachten und beschreiben kann und Krieg als Potenzial, das die ganze Zeit über immanent vorhanden ist. Es gibt eine potenzielle Gewalt, die man spüren und sehen kann. Wenn man beispielsweise an den Wettkampf beim Abschluss von Freihandels - abkommen denkt, könnte man von kriegerischen Auseinandersetzungen auf vielerlei Ebenen sprechen: einmal, zwischen den rivalisierenden Abkommen, welche Länder die besseren Verträge miteinander haben, einmal, welcher Vertragspartner die besseren Bedingungen durchsetzen kann, aber ebenso zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Konzernund Bürgerinteressen etc. Immer sind hier Fragen wie, was sind die Bedingungen, wer wird ausgeschlossen, wer pro !tiert und wer den Preis bezahlen muss, zu stellen. Die Zusammenhänge von Wirtschaft, Frieden und Krieg sind komplex. So wurden Friedensverträge geschlossen seit es Handel gibt, um Wirtschaftsabkommen zu ermöglichen, Ökonomie und Finanz reagieren wiederum emp !ndlich auf politische Unsicherhei - ten, die sie oftmals mitverursachen. Andererseits war Krieg immer schon Ablenkungsmanöver und Pro !tgenerierungsmotor für Großindustrie und Konzerne.

SOZIALER UNFRIEDEN

Der westeuropäische Nachkriegskonsens, dass Frieden über soziale Marktwirtschaft (arme Bevölkerungsschichten werden am Wohlstand beteiligt) innenpolitisch gewährleistet wird, wurde in Europa durch die neoliberale Doktrin und das Dogma der freien Märkte ersetzt. Soziale Unsicherheit, Ungleichheit, sozialer Unfrieden sind die Folgen, die den Aufschwung national-populistischer Parteien befördern. Kapitalistisches Gewaltpotenzial wird gerne als Konkurrenz, Eigenverantwortung, Frei - heit etc. schöngeredet und dargestellt. Tatsächlich führt die Optimie - rungs- und Leistungsspirale unter Ausschaltung solidarischer Systeme zu einem immer größer werdenden Druck und einem Kampf jeder gegen jeden. Finanztechnische Mitteln wie Kredite, Schulden, Derivatehandel etc. verstärken diese Entwicklung. Welches Potenzial an Unfrieden schlummert in vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Hand - lungen, sowohl auf ökonomischer, politischer und individueller Ebene? Und wodurch wird dieses immanente Unfriedenspotenzial befördert und aktiviert

FRIEDENSPOTENZIALE

Carl von Clausewitz (preußischer General und Militärtheoretiker 1780– 1831) zufolge ist der Zweikampf die Grundform des Krieges, der sich bis ins Endlose steigert und in immer neuen Maskeraden erscheint. Clause - witzs Theorien über Strategie, Taktik und Philosophie hatten nicht nur großen Ein fluss auf die Entwicklung des Kriegswesens, sondern fanden und !nden im Bereich der Unternehmensführung sowie im Marketing Anwendung. So wie sich die Formen des Krieges permanent ändern und in neuen Verkleidungen auftreten, bedarf es auch neuer Formen des Protestes. Interdisziplinäre Kooperationen künstlerischer, politischer, umweltschüt - zender AktivistInnen, von sozialen und humanitären Organisationen, Friedensforschung und Kon fliktforschung, Kapitalismuskritik, um nur einige zu nennen, tragen dazu bei, neue Modelle friedlichen Zusammen - lebens zu entwerfen. Muss Frieden neu gedacht oder erfunden werden? Welcher neuen Friedens-Narrationen bedarf es, auch wenn man an die über Social Media verbreiteten Aggressionen (hate speech) und deren Reichweiten sowie Echoraum-Strukturen denkt? Oder gerade auch im Kontext der KI Entwicklungen scheinen neue Friedens-Narrationen und diesbezügliche vertragliche Regelungen erforderlich. VertreterInnen des Posthumanismus wiederum fordern die Aufhebung von Gegensätzen, lehnen die Trennung zwischen Subjekt und Objekt ab, fordern Gleichheit für alle Lebewesen, um u. a. der Konstruktion des Anderen entgegenzuwirken. Der immer wiederkehrende Dualismus von Subjekt und Objekt, beruht laut Timothy Morton, auf der Unterschei - dung von Innen und Außen, und wird "als der philosophische Grund für die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen angesehen". Das scheint jedoch nur ein Teilaspekt zu sein und ob die Aufhebung von Subjekt und Objekt friedlichen Umgang generell befördern würde, darf bezweifelt werden. Soziale Sicherung und Umverteilung, technologi - sche Entwicklungen im Sinne der Allmende, sowie aufmerksamer und schonender Umgang mit Natur und Umwelt sind Voraussetzung für friedliches Zusammenleben und Friedenspolitik. Neue Entwürfe und Widerstandspotenzial sind dafür unumgänglich.
Sabine Winkler

MMER IN BEWEGUNG - FLAGGE ZEIGEND

«Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, um am selben Platz zu bleiben.» So spricht die Rote Königin zu Alice in Wonderland. Ist das unser Glücksversprechen, dieses Hamsterrrad der laufenden Mühe?
Die Moderne versteht sich als eine Gesellschaft in Bewegung und schreibt ihre Geschichte als eine des Fortschritts, der Mobilität, der Ge - schwindigkeit und der «Ver "üssigung»; die Leitbegri %e heißen Tempo, Dynamik, Be- schleunigung. – Seitdem bewiesen ist, dass auch die Erde selbst sich be- wegt..., hat sich unser Weltbild ungeheuer verändert. Dank naturwissen- schaftlicher Erkenntnisse sowie phantastischer tech - nischer Entwicklungen wird uns eine neue Beweglichkeit in Raum und Zeit ermöglicht, die Mobili- tät forciert, die Globalisierung aller Märkte befördert – und unser aller Leben massiv verändert. «Revolution der Geschwindigkeit»(Virilio)! Bewegung ist dem Prinzip der Beschleuni - gung unterworfen. Damit radikalisiert sich das Verhältnis von Bewegung und Stillstand, der als Nicht-Aktivität und Unbeweglichkeit abquali fiziert wird. Wir sollen «Zeitmanagement» lernen, uns noch besser vernetzen, schlussendlich nur dazu, um noch beweglicher zu werden. (Und wer nicht mitmacht, ist im gesellschaftlichen Out.) Die Parole «Entschleuni - gung» ist populär, und im deutschen Jena existiert ein Institut, das sich genau damit befasst.
Egal, ob man den Menschen als «Hocktier», der seine Energien sparen will, sieht, oder als den ewigen Jäger und Sammler, der ständig unter - wegs ist: er hat 2 Beine, einen neugierigen Kopf und damit Sehnsucht nach allem Möglichen. Er will zum Beispiel einfach schauen gehen – in die Welt hinaus, oder sein Glück und neue Sicherheit finden (Migrations - bewegungen).
Unser Mobil-Sein, unser Verkehr ist ja nichts anderes als die technische Realisation von Bewegungsdrang! Unter, über, auf der Erde – alles ist voll mit Verkehrsnetzen, die frequentiert werden bis zum Kollaps (Me - ga-Stau, Smogalarm). Die Verkehrsindustrie als globaler Wirtschaftsfak - tor Nr.1 verursachte das Klimaproblem Nr.1, und genau diese Horrorvisi - onen bewegen die Industrie nach vorn : Die Energiewende ist ein Muss, weshalb es bald schon intelligent vernetzte Mobilität geben soll, bei der der Zugang zu Fortbewegungsmitteln wichtiger ist als der Besitz eines Autos. Man spricht vom i phone auf 4 Rädern, das mir mitteilt, wie ich zum nächsten Car to go, Pedelec, Smart oder Fernbus gelange, um mich weiter zu bewegen... Alles soll smart werden!
Der Mensch gibt selten Ruhe, das Nichtstun fällt uns eher schwer; er ist ganz wesentlich ein Suchender, und seine Sehnsucht ist ein beständig in Bewegung be findliches, "iehendes Denken, das viele Fragen und Ziele kennt, aber wenig Antworten und keine Ankunft. Kunst und Literatur versuchen das.
«Du musst dein Leben ändern!» Zwar leben wir schon, aber etwas in uns sagt: Du lebst noch nicht richtig, es muss noch ein anderes Leben in diesem Leben geben. Das tri %t uns in unserem Unzufriedensein, unserer 29 30 Mangelhaftigkeit. Stehen wir in diesem Spannungsverhältnis uns selbst gegenüber, beginnen wir mit unserer Selbstoptimierung. Dabei können wir meist gar nicht mehr unterscheiden, ob es sich um wachsende gesellschaftliche Ansprüche an die individuell herzustellende und zu erhalt- ende Wettbewerbsfähigkeit geht, oder ob uns unser innerstes Ungenügen antreibt. Sehr oft führt der Weg ins nächste Fitness-Studio..., da unser Körper zunehmend physisch weniger leisten muss. Gleichzeitig wird er mehr und mehr zur Visitenkarte. Deshalb leisten wir in unserer Freizeit oft harte Körperarbeit. Wir bewegen uns stundenlang auf Laufbändern und an Kraftmaschinen. Leistung und Fitness gelten auch für Extremsportarten, Party- Marathons und tagelanges Durchtanzen in Discos. So gewinnt die Präsenz des Körpers eine zentrale Rolle zurück. Am deutlichsten wird dies in der körperlichen Bewegung, die einen elementaren Zugang des Menschen zur Welt beschreibt. Bewegungspraktiken (wie asiatische Körperbewusst- seinstechniken und Meditationsübungen), kulturelle Tanzformen (Tango, Salsa, Disco...) und kulturspezifische Sportarten (Fussball, Kampfsport, Surfen, Snowboarden) haben sich in globalisierten und medialisierten Gesellschaften weltweit verbreitet.
Fragen, die uns bewegen:
- Hat Bewegung ein Geschlecht?
- Gibt es ein Körperwissen? Woher weiß er, wie er sich bewegt?
- Macht der Körper Bewegungen, oder machen Bewegungen den Körper?

- Kann man zwischen innerer und äußerer Bewegung unterscheiden? Ein bekanntes Beispiel: Ich laufe nicht weg, weil ich mich fürchte, sondern ich fürchte mich, weil ich weglaufe. (Stimmt beides?)

- Wie beein"ussen urbaner Raum und Architektur unsere Bewegungen?

Noch ein Wort zur Politik zu den neuen sozialen Bewegungen wie zum Beispiel Attac, die o%ensiv pragmatisch arbeiten in Zehntausenden von Projekten, die die Welt etwas erträglicher machen sollen: «Wo ist Ho%nung? Ganz neue soziale Bewegungen, eine mächtige Zivilgesellschaft entstehen. Widerstandsfronten brechen überall auf dem Planeten auf. .... Ohne Hierarchie, ohne Zentralkomitee .... als lebendige Figur der Solidarität. Wir wissen genau, was wir nicht wollen.» (Jean Ziegler) Wir können auch einen Strukturwandel der Ö%entlichkeit feststellen und sehen, wie sich gesellschaftlicher Unmut auch außerhalb der klassischen Massenmedien sinnvoll organisieren lässt - in Netz-Communities, die schlagfertige Gruppen bilden, eine wirksame Gegenö%entlichkeit aufbauen und eine bislang unbekannte Partizipation an Politik ermöglichen. Deshalb machen sich das Politiker auch zunutze, gründen «Bewegungen» mit dem Touch von NGO und Anti-Establishment und sind damit überraschend erfolgreich, selbst wenn es sich um Etikettenschwindel handelt.
Eine verwirrende Gemengelage von Kon"ikte nah und fern, ist die Welt
zu retten... ?? Der Kopf steht uns, wir wissen nicht wo, was macht uns
denn jetzt froh? Genau! Fangen wir bei uns selber an. Hissen wir die
weiße Flagge vor unseren Fenstern. Bitte,ein bisschen Frieden. Ein bisschen mehr als bisher....
PS: Es kommt anders, WENN man selber denkt.
Karin Ruprechter-Prenn