S: Sehnsucht

Sehnsucht ist immer mit Mangel verbunden, mit der Unverfügbarkeit von Personen oder nicht real gewordenen Vorstellungen und Wünschen. Sehnsucht ist immer ein Zustand der Kontingenz, beinhaltet die Option dass vieles möglich ist, bevor man sich entscheidet oder ein Konkretwerden eintritt. Im Moment der Realisierung einer bestimmten Sehnsucht  verschwindet diese. Die Sehnsucht nach Liebe ist allgegenwärtig, wohingegen man nicht rational begründen kann, warum man sich in eine bestimmte Person und keine andere verliebt. Sehnsucht kann sowohl mit Traurigkeit als auch mit Genuss verbunden sein, je nachdem ob Mangel und Verlust im Vordergrund stehen oder das Gefühl alles offen lassen zu wollen, um den Zustand der Sehnsucht zu bewahren. Entweder geht es um die tatsächliche Umsetzung und Realisierung von Vorstellungsbildern oder um die Aufrechterhaltung eines imaginären Zustands. Sehnsucht kann sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit gerichtet sein, entsteht durch Verlust und manifestiert sich als Mangel von Nähe, Vertrautheit, und Liebe. Sehnsucht kann Mangel imaginär kompensieren, gleichzeitig befördert oder schafft sie aber erst das Gefühl von Mangel.

 

A: Answers

Ist die Sehnsucht eine Art Frage an vergangene und zukünftige Optionen des Lebens, deren Antworten sich als Gegebenes in der Realität der Gegenwart einschreiben? Die Sehnsucht hält das, was abwesend oder fiktiv ist, imaginär lebendig, antwortet gewissermaßen damit auf den Mangel. Das, was mit der Abwesenheit einer Person u.a. bewusst wird, ist die verloren gegangene Antwort. Damit gemeint ist auch die verlorengegangene Bereitschaft und Fähigkeit zu antworten im Sinne von response – ability, also nicht nur fehlender Response, sondern abwesende Verantwortlichkeit. Verantwortung zu übernehmen setzt voraus, dass man den/die/das andere bewusst wahrnimmt. Die Bereitschaft anderen oder auf anderes zu antworten bedeutet nicht automatisch, dass man Verantwortung übernimmt, kann aber als eine der Voraussetzungen gesehen werden. Wenn wir antworten, denken wir im Sinne von ver-antworten über die Situation des/der anderen nach, um gemeinsam auf Fragen und Herausforderungen des Lebens zu antworten. Damit wird das Ich zum Teil des Gemeinsamen. Das könnte eine Antwort sein, auch wenn dadurch nichts erklärt werden kann.

 

N: Nearby

Wenn nicht nur das Selbst, sondern das Gemeinsame bedacht wird, entsteht Nähe. Kann auch durch die Sehnsucht nach Nähe ein Naheverhältnis entstehen? Bis zu einem gewissen Grad können abstrakte Formen von Nähe sehr real werden, wenn man beispielsweise an Erinnerungen, Literatur oder an digitale Kommunikation denkt. Körperliche Nähe wiederum wird durch gemeinsames Erleben und Wohlbefinden definiert. Durch die eingeschränkten Möglichkeiten physischer Nähe während der Pandemie wurde vor allem der Verlust körperliche Nähe bewusst erfahren. Physische Begegnungen ermöglichen im Gegensatz zu digitalen Treffen, dass der/die andere über alle Sinne wahrgenommen wird. Sinnliche Erfahrung ist immer nur ein Aspekt von Nähe, kann aber helfen Situationen einzuschätzen und Antworten zu finden. Virtuelle Nähe, die Art wie wir denken und fühlen, wie wir Dinge sehen und damit umgehen, was uns wichtig ist oder wofür man sich einsetzt etc. wiederum schafft ein Gefühl des Verbundenseins und der Verantwortlichkeit. Die Sehnsucht nach Nähe ist wie die Angst vor Nähe gleichermaßen präsent und lebensbestimmend. Wem wollen wir nah sein, wem wollen wir fern sein?

 

A: All will be fine

Kann etwas, können Dinge wieder gut werden? Die Möglichkeit, dass Dinge gut werden, ist potenziell immer vorhanden, anders werden sie bestimmt. Das anders Werden kann sowohl traurig als auch hoffnungsfroh sein, meist beides. Entscheidend dabei kann sich auch das Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft auf die Gegenwart auswirken.
Durch Erinnerung kann Nähe aufrechterhalten werden, durch Verantwortung kann Nähe in der Zukunft geschaffen werden. Gibt es eine Parallelität, bzw. gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Gutsein von Dingen und Menschen? Was bedeutet es ein guter Mensch zu sein, wer entscheidet oder urteilt darüber? Im Kontext unterschiedlicher Konventionen wird bestimmt, was damit gemeint sein kann, wobei rechtliche festgeschriebene und ungeschriebene soziale Gesetze gelten und den jeweiligen Handlungsrahmen vorgeben. Aber auch individuelle Vorstellungen unterscheiden sich diesbezüglich. So setzt das gut Werden der Dinge mitunter das Gutsein von Personen voraus.

 

E: Empathy

Einfühlungsvermögen kann helfen gemeinsam Antworten zu finden, besonders in Zeiten verordneter Selbstverwirklichung und Selbstvermarktung. Wenn das Gemeinsame im Vordergrund steht, stehen die Chancen besser. Auch wenn es vielleicht nicht immer gelingt empathisch zu sein, bewusste Aufmerksamkeit für die Empfindungen, Gedanken, Emotionen etc. nicht nur anderer Menschen, sondern für die Befindlichkeiten von Lebewesen generell, kann dazu beitragen, das Leben aller lebenswerter machen. Auch oder gerade aus einer Ästhetik der Traurigkeit heraus.

Sabine Winkler
 

 

 

Eine Imagination, abgesehen von 2, 3 Sachen, die ich von ihm weiß

S   wie Sanftmut,

die er ausstrahlt und dabei doch mit Bestimmtheit die
eigenen Ziele verfolgt. Entscheidungen also eher geschehen lassen als er-
zwingen. Die gelebte, sanfte „Fehlerfreundlichkeit“ im Wissen darum, dass
der Mensch ein Mängelwesen ist, ein irreparables...

wie streetwise: Den Probe- und Schutzraum Schule muss er früh ver-
lassen, er wird in die Arbeitswelt hineingeworfen und lernt im tätigen Leben. Ein harter Stoff. Er nimmt sein Los an und macht etwas daraus. Im Lauf der Zeit erfindet er sich neu.

wie Selfmademan: Ein Lokal als Ein-Mann-Unternehmen aufbauen,
Stammkundschaft pflegen, für alles gerade stehen, Krisen überdauern, auch
mit wehen Füßen arbeiten, ja gar nie krank werden dürfen... Das braucht
einen starken Willen, Mut, su-ta-mi-na und und und.

wie Sonnenpoesie: „Nichts Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein...“ mit Hut, Blumenhemd und Ukulele... Sehnsuchtsort Okinawa. Die Reisen nach Österreich, wo er liebend gern nach Spanien oder Kroatien ausfliegt. Eben der Sonne wegen... Sonne und Meer.

wie Spielen: Da ist einmal das Golfen. Konzentration  -  zack! der Ball fliegt. Bemerkenswerter ist aber das Kind in ihm und um ihn. Mitten in einem Wiener Gastgarten fängt er mit seinem kleinen Sohn zu spielen an, er wirft ihm Jonglierbälle zu. Alle Anderen essen und reden, er spaßt mit Emil
herum.  -  An O-Shogatsu pflegt er eine alte Tradition, Edo-Goma (Begoma?), ein japanisches Kreiselspiel. Auf einer niedrigen Blechtonne drehen sich die Kreisel/Koma, die über eine Kordel mit den Spielenden ver-
bunden sind. Sanaes Figur hat den längsten Spin... Gewonnen. Glück für
das kommende Jahr! Die Gleichzeitigkeit von Bewegung und Stillstand
des so einfachen wie schwierigen Geschicklichkeitsspiels kann heute noch 
faszinieren. Ist der Koma so schnell, dass Drehung oder Stillstand nicht mehr zu unterscheiden sind, sagt man auf Japanisch: Der Kreisel „schläft“.
Auch Sanaes Kreisel?

wie Schweigen: An seiner Lokaltheke reden die Gäste, die Nähe von
Koch und Kunden ist augenfällig, er kocht vor ihren Augen. Er schöpft die 
Nudelportion, jongliert mit Tellern und Töpfen, angelt nach Zwiebeln und 
drapiert die Zutaten auf der Suppe. Er richtet noch ein paar Extras und an
seinen Ohren rauschen die vielen Storys und Sorgen des Lebens vorbei ...
Und hier seine Antwort: Das vor die Nase gesetzte Gericht, ungefähr in der Art: So, jetzt lass es dir schmecken, schlürfe und alles geht besser...
Und erst die „Westler:innen“ mit ihrer Super-Gesprächigkeit! Ich dagege kommuniziere „handfest“, ich biete dir Selbstgekochtes dar!
Seine kleine Philosophie des Schweigens gleicht vermutlich einer Roman- figur von Murakami Haruki, der seinen Protagonisten Menshiki sagen lässt:
„Im Leben gibt es einige Dinge, die man nicht erklären kann und auch nicht 
erklären sollte. Denn in den meisten Fällen geht dabei das Wichtigste verloren.“
Und so schwirren die fushigina koto als große und kleine Merkwürdigkeiten
und Lebensrätsel im japanischen (und nicht nur dort) Raum umher. So, nee...

 

A   wie Alterslosigkeit.

Nie frage ich mich, wie alt er nun sein mag. Er 
sieht immer gleich aus. Weder alt noch jung. Wie schafft er das bloß?

wie „integrierter Außenseiter der Gesellschaft“, da er neben einer Portion Anarchie mit viel Common Sense ausgestattet ist. Er zieht eine eigene unkonventionelle Spur durch das Leben und ist dabei nicht allein.

wie unverdrossener Arbeiter: Täglich gleichbleibende Qualität zu liefern, heißt auch, täglich mit neuem Elan zu beginnen. Denn was die 
berühmten Nudelsuppen, ja Essen überhaupt betrifft, kann man Japanern
nichts vormachen.

 

N   wie Nudellokal.

Das Harubarutei ist ein Zwischending aus Bar, Ramen-ya und Isakaya. Eine Sanae-Kreation. Es läuft Jazzmusik, die Noren
vor dem Eingang wechseln jahreszeitgemäß; es gibt Cocktails wie den „Kyodo Sundowner“ oder „Okinawa Sour“... Tapas und die Kultsuppe Ramen
in Varianten. Seit dem Film „Tampopo“ wissen wir um die hohe Schule der
Ramen-Produktion, bis sie endlich umai ist!
Und wie macht der Sanae das alles? Sein anstrengendes Business, Spielen,
Musik machen, Schifahren  -  und die ganzen Familiensachen...??

wie nantonaku: Ja, eben so, nantonaku...

 

A   wie Autodidakt:

Er hat sein eigenes Life Long Learning –Programm.
Die Aneignung geschieht nantonaku. Erstaunlich und bewundernswert.

wie Alltagsheld, immer im Hier und Jetzt seines Umfelds.. Tun, was zu tun ist, leise, diskret und deshalb umso eindrücklicher. (Otsukaresama...)

 

E  wie das Ereignis Edwina wie das Ereignis Emil

wie das Ereignis auf dem Fahrrad: Vom Tod ins Leben stürzen, in ein anderes Weiterleben

Karin Ruprechter-Prenn 

 

s.a.n.a.e

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