ALLES ANIMAL ODER: ICH, DAS TIER

Die Beziehungen von Mensch und Tier spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider, kann als Symptom dieser Entwicklungen oder als Reaktion darauf gelesen werden. Zwischen Nutzwert und emotionalem Wert erö!net sich ein breites Spektrum, das die Vorstellung vom Tier als Nahrungsmaterial, Arbeitstier, emphatischem Begleiter, Vermittler, Kollege, Partner- oder Kindersatz etc. umfassen kann. Damit verbunden ist der Status von Tieren, ob man sie als Objekt oder Subjekt betrachtet, sie unterwirft oder als gleichwertiges Wesen behandelt, wie vom Posthumanismus gefordert. Dieser versucht die Beziehung von Mensch und Tier neu zu strukturieren, indem er anthropozentrische Sicht- und Handlungsweisen aufgibt, um die Beziehung zwischen Mensch und Tier auf der Grundlage von Gleichheit zu etablieren. Das Subjekt wird nicht mehr als individuelle einheitliche Entität verstanden, sondern als nomadisches hybrides Wesen mit wechselnden Identitäten. Dadurch lösen sich die Gegensätze von Mensch/Tier und Mensch/Technik auf: Das als das Andere deklarierte verschwindet, wird zum Bestandteil des eigenen Selbst.

Wenn man das Phänomen des in vielen Ländern zu beobachtenden Haustierbooms unter diesem Blickwinkel betrachtet, kann die Zunahme des Interesses an Hunde und Katzen sowohl als Reaktion auf Digitalisierung und Technologisierung als auch auf ein sich veränderndes Verhältnis zur Natur verstanden werden. Durch die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, durch Technologisierung und vor allem durch die Digitalisierung der Kommunikation schwinden direkte soziale Kontakte und physische Nähe. Technologiefolgewirkungen sowie die Virtualisierung/ Digitalisierung von Beziehungen können Angst vor physischer Nähe bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Berührungen hervorrufen. Die Angst verletzt zu werden, kann durch digitale, vorprogrammierte Beziehungen virtuell oder durch reale Beziehungen beispielsweise mit Haustieren umgangen werden. Anime-Figuren oder Tiere können Stellvertreterpositionen für soziale Kontakte bis hin zu Liebesbeziehungen einnehmen, sie können Partner- oder Kinderersatz sein, oder in Zukunft vielleicht als die idealen Partner gesehen werden. Die mit Technologie und Natur einher gehenden Bedeutungsvorstellungen von Rationalem und Irrationalem tre!en sich hier, an der Schnittstelle Mensch.

Emotionen entstehen dort, wo wir die meiste Zeit verbringen. Entscheidend ist die Qualität bzw. die Art der Beziehungen, die wir führen. Die auf Quanti"zierung basierende Illusion des Sozialen, die durch Soziale Medien verbreitet wird, führt u. a. zu Vereinsamung. Tiere-Streichel-Cafes können als Ausdruck dieser Entwicklung gesehen werden. Die Sehnsucht nach emotionalen Werten besteht neben den damit verbundenen Ängsten. Emotionaler Wert von Haustieren wird ökonomisch verwertet, für das Streicheln und die tierische Zuwendung muss ein Stundenlohn bezahlt werden. Wenn die tierische Zuneigung zur Dienstleistung wird, ist das einerseits praktisch, andererseits ist das Ausdruck von Unverbindlichkeit und Konsum von Zuneigung/Nähe. Die Fragen, die sich hier stellen sind: Welche Beziehungen wollen wir, welche Erwartungen und Vorstellungen sind damit verbunden, welche Beziehungen jenseits menschlicher Erkenntnis und Wahrnehmung sind möglich?

Die Gleichwertigkeit bzw. der Subjektstatus von Tieren wird mit deren Leidensfähigkeit begründet, aber eben auch mit möglichen jenseits der menschlichen Wahrnehmung statt"ndenden Agencies.

In Natsumo Sosekis Roman Ich, der Kater (Wagahai wa Neko de aru, 1905/1906) persifliert der Kater, Protagonist und Erzähler, westliche Subjektpositionen, er macht sich über den im japanischen Herrschafts-Ich (Wagahai) immanenten Machtanspruch sowie das Autoritätsgehabe lustig, und karikiert gleichzeitig die eigene Position des Autors, also das Autorensubjekt. Die Namenlosigkeit des Katers wiederum hebt die Subjektkonzentration auf, assoziativ werden Paradoxien gefeiert, japanische und westliche Sichtweisen, Erlösungskonzepte und traditionelle Vorstellungen karikiert, Stilelemente und Kategorien gemischt und ästhetisch satirisch aufgemischt. Verhaltensweisen der Menschen, Alltagsphänomene, Wissenschaft, Geschichte, Literatur, Philosophie etc. werden vom gebildeten Kater erörtert und kommentiert, sind Gegenstand seiner Betrachtungen, Interpretationen und seines Witzes, sind also Objekt seiner Untersuchungen. Er kritisiert die westliche Moderne, kombiniert Rationales mit Irrationalem, liebt den Müßiggang und das Experiment, ist ein Kater des Wortes und nicht der Tat, ontologische und epistemische Ebene werden verbunden. In der Fiktion gelingt es dem Kater durch kunstreiche Satire Gegensätze aufzulösen. Hier schließt sich der Kreis. Verbindungen von Natsumo Sosekis Roman zum Posthumanismus können spekulativ angenommen werden, obschon ein satirischer Ansatz hier nicht zu "nden ist.

Wir werden immer mehr von Technik geprägt und dadurch ändert sich unsere Vorstellung von Natur. Jenseits spekulativer und realer Beziehungen verändert sich aber auch die Vorstellung davon, was Menschsein im 21. Jahrhundert bedeuten kann. Roboter werden zunehmend in Richtung menschlichem Verhalten programmiert, wohingegen Menschen immer mehr wie Roboter funktionieren sollen. Ökonomische Aspekte und Optimierung stehen im Vordergrund, auch beim Mensch-Tier-Verhältnis. Dagegen steht die Forderung nach Gleichstellung aller Lebewesen/Dinge, die auf der Nicht-Di!erenzierung von Mensch, Tier, und Technik basiert und sich u. a. in der Annahme hybrider Wesen äußert. Mischwesen, wie wir sie beispielsweise aus der Antike, der indischen oder ägyptischen Götterwelt kennen, erfahren in virtuellen und Technologie dominierten Räumen neue Formen und Bedeutungen.

Elemente der Verwandlung und das sich immer wieder neu Er"nden sind Mechanismen der Mode. Reale tierische Materialien wie Leder, Pelze, Federn kommen dabei genauso zum Einsatz, wie deren künstliche Nachbildungen oder Ornamentreferenzen. Damit verbunden sind beispielsweise Mimikry-E!ekte oder mit Tieren verbundene Eigenschaften, die vorübergehend, bestimmten Stimmungen entsprechend, angelegt werden können.

Edwina Hörl deutet in ihrer Kollektion Möglichkeiten der Annäherung zwischen Mensch und Tier nicht nur über die mit Tieren assoziativ verbundenen Referenzen an, sondern setzt Elemente, die für bestimmte Mensch-Tier-Beziehungen stehen, satirisch ein. So wird ein für Domestizierung/Dressur stehender Reiterhelm als Strohhut karikiert, und damit auf Freizeit, Urlaub verwiesen. Oder die kunstreich aus Federn und Fell hergestellten Köder der Fliegen"- scher, die für Jagd stehen, werden als Ohrringe zum Accessoire, um Beute anzulocken. Es geht also nicht um die Symbolkraft und die mit Tieren verbundenen Eigenschaften, sondern um eine ironische Interpretation unterschiedlicher Formen von Mensch-Tier- Beziehungen. Die einzelnen Kollektionselemente sind nach Tieren benannt, deuten über die Zuordnung von Namen mögliche Assoziationen zu Tieren an, denen sich jedoch Design und Materialien teilweise widersetzen. Das Aufbrechen eindeutiger Zuordnungen scha!t erstmals Raum zum Durchatmen. Das wusste schon Sosekis Kater.
Sabine Winkler

VON TIEREN UND MENSCHEN

Der Orang-Utan kann im Prinzip sprechen, aber er tut es nicht, damit er nicht zur Arbeit gezwungen wird. (Mythos auf Java)

Wenn der Löwe sprechen könnte, wir würden ihn nicht verstehen. (Wittgenstein)

Das Pferd kommuniziert gern mittels seiner beweglichen Ohren.

Katzencafés, Kaninchencafés, HundeKinderwägen für 5 bekleidete Hunde- babys, Collies in Haloween-Maskerade beim Gruppenfoto, die «Botschafterin der Insekten» im Beetle-Kostüm (Yukari Kabutomushi), Käfer-Hype bei japanischen Jungen... Sofas, Schmuck, Textilien, Rucksäcke - alles für die Kuscheltiere ... Kawai! Hundehotels, TierPsychotherapie ...

Perspektivenwechsel: Ein Schwein mit 110 kg ist auf 0,7m2 Fläche reduziert; nach 6 Monaten ist sein Leben zu Ende, trotz einer Lebenser- wartung von 15 Jahren. Bis zu 26 Hühner teilen sich 1 m2; ihre gemästeten Hybrid-Körper sind zu schwer für ihre unterentwickelten Beine; unrentable, männliche Küken (keine Eier) werden sofort geschreddert ... Die Rationalisierungsmethoden in Tierfabriken umfassen: Hörner entfernen, Schnäbel kürzen, Kastration, automatische Fütterung, Kä"ge, .... Und der Großschlachthof ist ein optimal organisiertes Schlachtfeld - alles geschieht am Fließband, Betäubung inclusive. Dies nicht nur aus Ef- "zienz, sondern das Gebrüll des Viehs, das sein nahendes Ende spürt, wäre unerträglich. Ganz und gar nicht «kawai»!

Im Supermarkt liegt dann ein möglichst billiges Stück Fleisch, blutleer und in Plastik verpackt, wir müssen uns nicht mehr Lebendiges dabei vorstellen und können gedankenlos konsumieren.

Schoßtier oder Schlachtvieh – die extremen Pole unserer Tierhaltung - ein Phänomen unserer Urbanität: Die zwei Seiten einer Medaille, die die Entfremdung des heutigen Menschen von der Natur spiegeln. Einerseits vermenschlichen wir Tiere (Anthropomorphisierung), indem sie eine reine Projektions- fiäche unserer Wünsche und Sehnsüchte werden und wir ihnen eine Emp"ndungsfähigkeit und ein Bewusstsein zuschreiben, das unserem gleicht, weil uns das gefällt und tröstet. Das reicht bis zum Gedanken, Tiere sind die besseren Menschen. Andererseits herrscht die maximale Ausbeutung, äußerste Verdinglichung zur Ware von lebendigen Wesen in der Massenaufzucht. Der unhörbare Schmerz und Tierleid sind aus unserem Gesichtsfeld verbannt.

Nicht zufällig verdankt sich die Tierschutzbewegung der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Ein Bewusstsein vom Leiden der Tiere wird wirksam, das 1822 in England das 1. Tierschutzgesetz zur Folge hatte. Dies dank Jeremy Bentham, der befand, Tiere besäßen Urformen von Gefühlen, Gedanken und menschlichen Verhaltensweisen; sie brauchten unseren Schutz. Aber das 1622 vom Philosophen Descartes formulierte Postulat von der «Tiermaschine» ohne Gefühle, die man analysieren dürfe, lebte und lebt weiter bei Tierversuchen in Labors sowie zu anderen Forschungszwecken: Der russische Hund «Laika» war 1957 das 1. lebendige Wesen im Weltall und überlebte nur 6 bange Stunden in der engen SputnikII. Die NASA opferte mehrere A!en, sie starben bei Raum- flugversuchen.

1735 formuliert der schwedische Naturforscher Linné, Tiere seien «Menschenverwandte» («Menniskans Cousiner»). Die Frage nach der philosophischen Bewertung des Verhältnisses zwischen Mensch und Tier ist jedoch so alt wie die Menschheit selbst, die Kulturgeschichte durchzieht diese stets komplexe Frage wie ein roter Faden. Da "ndet sich in Bezug auf das Tier auch Magie, Kult, Opfer, religiöse Verehrung..., aber auch schon das Tier als Ding («bewegliches Gut») wie im alten römischen Recht. Eine eben solche Geschichte aus der Tierperspektive ist noch nicht geschrieben... Ovids «Metamorphosen», gespeist von ältesten Mythen, zeigen uns das die Kultur dynamisierende Verwandlungsspiel zwischen Tieren, Menschen und Göttern. Auch Märchen und Sagen, ursprünglich mündliche Erzählungen, sind Beispiele für die enge Verflechtung von Mensch und Tier in all ihren Spielformen. Der Gedanke der Nähe des Menschen zum Tier wird erst zum Schock, als Darwin ab 1859 beginnt, seine Evolutionstheorie auf die These zuzuspitzen, der Mensch stamme vom Tier ab, am nächsten stehe ihm der Schimpanse. «Man is no exception.», schrieb er in sein Tagebuch. Er ist nur eine geringfügige Abweichung der Evolution. In der biologischen Systematik gehört er zu den höheren Säugetieren, also Primaten, Unterordnung Trockennasenprimaten und somit zur Familie der Menschena!en. Diese massive «narzisstische Kränkung», dass der vernunftbegabte Mensch, der sich selbst an die Spitze aller Lebewesen gestellt hatte, ins Tierreich rückführbar ist, damit ist er bis heute nicht fertig geworden. Bei manchen Forschern wird die Abweichung schwergewichtig zugunsten des Menschen wieder ausgefüllt, damit sich der Abstand wieder vergrößert. Andere Spezialisten und eine spezielle Tierlobby negieren den Unterschied sogar völlig. Tiere können einfach alles: Fühlen, Träumen, Imaginieren, Lachen, Denken, Sprechen... Bäh! Wir brauchen ein Tierparlament!

Freuds psychoanalytische Erkenntnis, dass der Mensch mit all seiner Vernunftfähigkeit nicht autonom sei, sondern aus dem Unbewussten gelenkt werde, fügt dann nochmals einen Schock für das Selbstverständnis des modernen Menschen hinzu: Er ist «nicht Herr im eigenen Haus».

Was ist ein Mensch? Was ist ein Tier? Die Fragen sind anscheinend seriös nicht restlos zu klären, das wenigstens zeigt sich in den rastlosen Debatten und Diskursen. Der andauernde Versuch, den Menschen und seine Identität zu de"nieren, ist vielleicht das, was den Menschen ausmacht. Hilft es, dabei eine Grenze zu Tieren zu ziehen? Sicher ist, dass Tiere vor uns da waren, dass wir sie brauchten, um das zu werden, was wir sind. Und nicht sie uns. Abgesehen von den Haustieren, das Produkt einer ungefähr 11.000 Jahre alten Domestikation des Menschen (Könnte möglicherweise auch der Wolf den Menschen verhäuslicht haben??), brauchen die Tiere uns Menschen nicht. Sie sind vollkommen angepasst und überlebensfähig in ihren Habitaten. Das berühmte Zeckenbeispiel von Uexküll von etwa 1930: Die Zecke braucht für ihr gelungenes Leben 3 Dinge: die Unterscheidung zwischen oben und unten, warm und kalt, Schweiß oder kein Schweiß. Sie sitzt auf einem Zweig, bis zu 18 Jahre lang, und lässt sich in dem Moment fallen, wo ein Säugetier/Mensch vorbei kommt. Dann beißt sie sich fest und legt ihre Eier... Damit hat sie ihr Dasein erschöpft. Wilde Tiere entziehen sich uns im Allgemeinen, weshalb wir sie besonders schön, anmutig und interessant "nden und uns Zoos, Wildparks, Bird Watching – Plätze, Safari-Lodges gescha!en haben, um das scheue Wild doch beobachten zu können. Wird dabei gelegentlich ein Mensch getötet, sind wir vielleicht schockiert über die Pranke der Natur. Dabei hat sie nur das Recht zurück gefordert, Natur sein zu dürfen. Denn angesichts unserer Naturausbeutung können wir nur feststellen: Die Bestie ist immer noch der Mensch.

Wir sehen Tiere an. Tiere nehmen uns wahr. In den Blicken, die beide tauschen, ist die Kernfrage der Identität des Menschen auf dem Prüfstand.

Dazu eine Anekdote: 2 Herren besuchten einen Zoo und fütterten A!en. Die übrig gebliebenen Reste retournierten die Tiere durch das Kä"ggitter an die beiden Männer, worauf diese entsetzt aus dem Zoo flohen... Ganz o!ensichtlich ist es verstörend, mit seinem eigenen Zerrbild, dem Ä$schen in uns konfrontiert zu werden.

Menschliche Identität hat sich am Blick auf das Tier, das das eigene Fremde ist, zugleich aber auch am Blick dieses tierischen Anderen zurück auf den Menschen zu bewähren. Jede Person, die ein inniges Verhältnis mit ihrem Tier pflegt, versteht das. Kreuzen sich die Blicke mit der Katze und verschwimmen sie, schnurren die Katze und versuchsweise auch der Mensch, so kann eine tiefe Zufriedenheit, eine mystisch-mysteriöse Kommunion entstehen, in der die Kontinuität der Welt über Jahrtausende aufleuchtet: die tierische Form als Urahn der menschlichen - und was die Katze dazu «denkt», können wir uns immerhin imaginieren. Auch Hundebesitzer kann es schmerzen, dass ihr mitfühlendes Lebewesen neben ihnen in eine Tierform eingehüllt, ja eingesperrt ist ...

Als gesichert gilt: Tiere haben artspezi"sche Emp"ndungen, ja Empathie, Intelligenz, gewisse Erinnerungsfähigkeiten (Pawlowscher Hund, Hachiko) und Kommunikation mithilfe ihrer Körpersprache und ihres Artikulationsorgans. Bienentanz, Walgesang...

Nur – könnten wir das Rätsel, das Tiere für uns eben auch sind, lösen, wo bliebe die spannungsreiche Faszination? Der Mensch ist reduzierbar auf ein armes oder ein reiches Wesen. Biologisch ist er nicht auf eine bestimmte Umwelt "xiert, er verfügt nicht über eine stabile angeborene Natur. Das bedeutet, er hat den elementaren Mangel einer guten Ausstattung zur Selbsterhaltung, er ist arm im Gegensatz zum Tier. Dafür besitzt er die Fülle der Welt, die er sich kreativ erscha!t und die ihm dann Heimat wird. Der Mensch besitzt die Fähigkeit zu symbolisieren und damit Welten zu erzeugen – in Mythos, Religion, Sprache, Kunst.

Da der heutige kulturdiagnostische Befund nicht unbedingt positiv ausfällt – die Ho!nungen auf eine humanere Welt sind angesichts einer forcierten «Biopolitik» nicht größer geworden - plädiert die Lebensphilosophie des italienischen Philosophen Agamben für eine «anthropomorphe Animalität», die ihm einen neuen politischen Spielraum verscha!en könnte. Um Mensch zu bleiben, muss er sich als Nichtmensch erkennen. «Der Mensch ist das Tier, das sich selbst als menschlich erkennen muss, um es zu sein.» Dazu muss er seine eigene tierische Physis bejahen. Gibt der Mensch seine Tierartigkeit preis, drängt er zugleich das Leben aus sich hinaus. Er wird zum Cyborg.

Dass wir viel von der Intelligenz in der Natur lernen können, dafür liefern die Forschungspioniere des «Biomimetismus» oder auch «Bionik» eindrucks- volle Beispiele für Innovationen:

● Das erste Shinkansen-Modell hatte eine 15 Meter lange aerodynamische Schnabelnase, die dem eines Eisvogels nachempfunden ist, um Luft- kompression und Lärm bei Tunnels zu minimieren.

● Die Oberfläche der Lufthansa-Flugzeuge ist der Schuppenhaut von Haien nachgebildet, um den Luftwiderstand zu reduzieren.

● Die Flugzeuge der Zukunft könnten «Himmelswale» sein, denn die extrem elastischen Flossen der Wale würden die jetzigen Flügel durch leichtere und beweglichere ersetzen.

● Fliegenaugen besteht aus 3.000 Facettenaugen, sie haben einen 360 GradBlick: Das Ur-Modell für die PanoramaKamera.

● Lachse besitzen ein natürliches GPS, das ihnen bei der Orientierung durch die Gewässer bis in ihr Ursprungsgebiet zurück hilft.

● Die Analyse der Haftungseigenschaften von Muscheln an Meergestein half bei der Entwicklung von unschädlichem Klebesto! im Haushalt.

● Die extreme Robustheit des Seidenfadens der Spinne ist für Textilien interessant. Die schusssichere Kugelweste ist ein Beispiel dafür.

● Die Fledermaus inspirierte schon Leonardo da Vinci zu seinen Flugkörperzeichnungen..., aber ihre ra$nierte Echolotung diente als Vorbild bei der Entwicklung von unbemannten Fluggeräten (Hawks und Drohnen).

● Die Fortbewegung von Robotern haben sich Techniker bei der Sprung- technik von Kängarus abgeschaut, aber auch bei Spinnen, deren Beine sich autonom bewegen können.

● Neue sichere Autoreifen könnten die Qualität von Katzenpfoten haben: Bei einer Richtungsveränderung verbreitert sich nämlich die Pfote, um mehr Kontakt zur Unterfläche zu haben.

Und so weiter....

Karin Ruprechter-Prenn

 

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