When dreams come true or not

Was passiert mit uns, wenn Träume wahr werden oder im Laufe der Zeit zerbrechen? Wenn Träume bildgewordene Wünsche sind, können sie als Vorstellungen einer Mainstream-Erzählung gelesen werden oder als deren Verbote, die geheimes unterdrücktes Begehren visualisieren. Für Gilles Deleuze und Félix Guattari verkörpert der von ihnen geprägte Begriff der Wunschmaschine das Unterbewusste in einer von der Technologie fundamental geprägten Welt, angetrieben durch die Energie der Libido. Das Unterbewusste stellt für die beiden Autoren eine  Fabrik dar, in der Wünsche Wirklichkeit in Form von Wunschmaschinen produzieren. Wünsche sind unser Begehren in der Interaktion mit der Welt und halten die Maschine nicht nur am Laufen, sondern sind der Apparat selbst. Träume wiederum liefern die Bilder dazu. Einerseits produzieren Wünsche Realität, andererseits werden Wünsche durch Ideologien und Kulturindustrien als Regeln, Idealbilder und Lifestyle vorgegeben.

Wie können wir uns von vorgegebenen Wünschen befreien, welche Träume und Wunschvorstellungen sind nicht kulturell vorgeprägt? Wünsche und Lebensträume werden über das Aufeinandertreffen von Selbstbildern und (pop)-kulturelle Idealbildern konstituiert, die von außen, sei es über Hollywood-Blockbuster, You-Tube Videos, Animationen, Literatur, Musik, Mode etc. generiert werden oder als Tradition und Sozialisation bereits internalisiert wurden. Das Verhältnis von Realität und Idealzustand wird über das Begehren, den Wunsch, Traumvorstellungen, wie etwas idealerweise sein sollte, aber nicht ist, bestimmt. Gerade in der Differenz zu dem was ist, entfalten Wünsche und Träume ihre Wirksamkeit.

Hoffnungen auf ein besseres Leben oder gesellschaftliche Visionen stehen vielfach in Zusammenhang mit Technologie-Entwicklung: Vor allem was die Entwicklung Künstlicher Intelligenz betrifft, sind sowohl die Erwartungen als auch die Ängste groß. Wenn gesellschaftliche Utopien jedoch vorrangig über Technologie formuliert und von Technologie Konzernen produziert werden, bleiben jenseits von Technologie kaum Utopien übrig. In Utopie-Modellen werden Technologie Entwicklungs- und Einsatzbereiche unterschieden, in denen verschiedene Lebensbereiche technisch optimiert werden sollen, wie beispielsweise durch automatisierte Arbeit, Biogenetik oder durch die Digitalisierung von Beziehungen. Damit verbundene Folgewirkungen sind meist nicht vorhersehbar, vor allem auch deswegen, weil die Technologie-Utopien nicht in gesellschaftspolitischen Konzepten verankert sind. Die Bilder einer algorithmisierten Zukunft sind allgegenwärtig, nicht nur was gesellschaftspolitische Veränderungen betrifft, sondern auch was soziale Beziehungen angeht. Die Loslösung der Subjektivität vom Menschen, der Person, dem Subjekt befördert einerseits dessen Marginalisierung, und eröffnet andererseits sowohl neue Möglichkeiten der Gleichstellung als auch neue Formen der Unterdrückung bzw. hierarchische Verschiebungen. Welche Träume, welche new dreams spielen sich in der  Zone zwischen Realem und Virtuellem ab? So träumt man im Transhumanismus davon, dass Algorithmen das Zentrum der Welt sind, dass sich Menschen an Algorithmen anpassen oder Gehirne down-geloadet werden können. Damit verbunden ist der Traum von der Unsterblichkeit. Der Preis dafür ist die Aufgabe/der Verlust des Körpers bzw. die Algorithmisierung des Menschen. Günther Anders sprach bereits in den 1960er Jahren von der prometheischen Scham, eine Art Minderwertigkeitsgefühl der Menschen gegenüber Maschinen.

Wir haben also den Technologietraum oder auch den Technologiealptraum, wenn man an die nicht absehbaren Folgen von Machine Learning denkt und dazwischen Vorstellungen von Technologienutzungen im Sinne der Allmende, jenseits kommerzieller Einsatzbereiche und digitaler Überwachung. Gesellschaftliche Modelle, die Technologie nicht als ökonomische Ideologie per se verstehen, sondern als gemeinsamen Möglichkeitsraum.

Von was träumen wir – welche Träume sind ausgeträumt? Wunschträume und Hoffnungen fungieren als Antriebsmotor dafür, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, Veränderungen herbeizuführen, sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen etc. Bis zu einem bestimmten Punkt, wo es dann gegebenenfalls nicht weiter geht. Im Scheitern von Träumen steckt immer eine gewisse Tragik, wenn Realität mit Phantasmatischem nicht übereinstimmt. Interessant scheint gerade dieses Verhältnis zwischen Vorstellungswelt und Realität, Wunschbild und realem Leben. Werden unsere Vorstellungsräume und Träume zunehmend von virtuellen Welten bestimmt und sind sie deswegen immer weniger von der Realität unterscheidbar? Oder können wir eine Flucht in idyllische virtuelle Welten beobachten, in denen es keine Probleme gibt, alles gut ist. Traumwelten verlagern sich zunehmend in die Welt der Simulation, nicht nur was Wettkämpfe und Heldennarrative angeht, sondern auch auf emotionaler Ebene.

Je schwieriger die realen Umstände sind desto größer ist die Sehnsucht nach dem Idyll und der Glaube an die Ökonomie. Der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär, dass jede/r mit harter Arbeit und persönlichem Einsatz den Aufstieg in eine höhere soziale Klasse schaffen kann, ist ausgeträumt. Das war immer schon die Ausnahme, ist aber in den letzten Jahren sichtbarer geworden. Der sozialistische Traum von erträglichen Arbeitsbedingungen, Rechten und Gleichstellung wiederum wurde in der neoliberalen Ausbeutungs- und Beschönigungsmaschine in den letzten 3 Jahrzehnten zerrieben.

Wenn Träume wahr werden, werden sie alltäglich, wenn Träume scheitern, können sie zum Trauma werden. Andererseits können auch real gewordene Träume traumatische Folgen haben und unrealisierte Träume können sich als Glück erweisen. Antriebsmotor von Wunschträumen ist neben der Libido die Sehnsucht, durch die bestimmte Bilder und Vorstellungen realisiert werden sollen. Wie entstehen diese Vorstellungsbilder, wie werden sie verbreitet und überliefert? Träumen wir von der individuellen Realisierung der Mainstream-Erzählung oder von verbotenen Dingen, Grenzüberschreitungen, von der Befreiung von Normen oder von Machtphantasien? Wenn Träume unser Unterbewusstes widerspiegeln, visualisieren sie dann unser Begehren und unsere Ängste authentisch weil unzensiert? Hier vermischt sich Innen und Außen, Sozialisation und Ideologie, mediale Bilderwelten werden mit Idealbildern kurzgeschlossen.

Träume sind jedoch auch Erholungsorte, bieten Zuflucht vor der Realität, offerieren imaginäre Alternativwelten, die Realität erträglicher machen können, spielen spekulative Vorstellungswelten als Möglichkeitsmodelle durch. Im Traum werden die Karten neu gemischt, Rollen, Positionen, Identitäten, Bedingungen und Lebensumfelder werden neu aufgestellt bzw. gestaltet.

«Sweet dreams are made of this, everybody is looking for something» sang schon Annie Lennox von Eurythmics in den 1980er Jahren. Liebe und Angst sind das emotionale Material aus dem Träume oder auch  Alpträume sind. Die Liebe als Sehnsuchts- und Traummotiv ist zentrales Element der Unterhaltungsindustrie, die Begehren konstituiert und die dazugehörigen Bilder und Songs liefert, um Sehnsucht und Begehren gleichzeitig zu bedienen. Die Liebe als Objekt des Begehrens oder als Stoff aus dem die Träume sind, spiegelt die Sehnsucht nach romantischen Gefühlen wider. Die Vorstellungen von der idealen Partnerin bzw. vom idealen Partner sowie von idealen Beziehungen sind hingegen konstruiert. In wen man sich verliebt, hängt u.a. auch von den gängigen Idealbildern oder deren Gegenbildern ab. Erfahrungen können als Traumkorrektiv gesehen werden, hier interveniert die Realität in die Traumwelten, positiv wie negativ. Don Quijote kämpft gegen die Windmühlen, alles ist möglich und nichts wirklich, in der Fiktion sind Realität und Phantasmatisches verbunden und zum Scheitern verurteilt, auf eine abenteuerliche, zerbrechliche und eine wunderbar würdevolle Weise. Im Film «Bis ans Ende der Welt» von Wim Wenders werden Träume aufgezeichnet (sichtbar) und die Betrachtung der eigenen Träume zur neuen Droge. In der Verfilmung von Philip K. Dicks Kurzgeschichte «The Minority Report» sehen mutierte Menschen, sogenannte Präkogs zukünftige Verbrechen voraus, in einer Art schlafähnlichem Dämmerzustand, in dem sie mehr sehen als im Wachzustand. Steht uns als nächstes die Verwertung, Instrumentalisierung und Kontrolle unserer Träume bevor oder befinden wir uns schön längst in diesem Prozess?

Der Traum vom Möglichen des Unmöglich-Scheinenden ist sowohl Trost und Illusion als auch Zukunftsperspektive oder Selbstbetrug. Die Vielfalt der darin steckenden Optionen macht seinen Reiz aus.

Sabine WInkler

«Bitte betrachten Sie mich als einen Traum.»
(Kafka)

«Nichts ist mehr euer Eigen als eure Träume! Nichts mehr euer Werk.» 
(Nietzsche)

«Ich schulde meinen Träumen noch Leben.»
(anonymes Graffiti)

Auf Japanisch: Träume sehen; auf Deutsch, Englisch haben; in französischer/italienischer Sprache machen. Was ist am zutreffendsten? Für Goethe war es klar: «Der Mensch träumt nur, damit er nicht aufhöre, zu sehen.»

Die politische Vision von Gleichberechtigung eines Martin L. Kings (1963) -  «I have a dream...», die Gründung von Institutionen wie UNO oder EU (Frie-

densträume) oder der uralte Wunsch vom Fliegen und die Weltraumfahrt, die Erfindung der Nähmaschine (1845), eine neue Medizin wie Insulin (1921), das Atommodell oder ein kühnes Bauwerk (Frank Gehry), Kunst (Goyas Bild «Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer» von 1799), Literatur (Kafka z.B.) oder philosophisches Denken ..., stets sind auch der Traum und die Macht seiner Wirkung im Spiel. Er ist nicht nur integraler Bestandteil des Weltenlaufs, sondern auch des Menschen selbst. 

4000 Jahre in etwa umfasst die Geschichte des Traums, d.h. seine literarische Darstellung und seine Deutungstheorien. Was wie eine anthropologische Konstante die Menschen aller Zeiten über alle Unterschiede hinweg verbindet: das Träumen. Berühmt ist der Satz des Griechen Heraklit vor etwa 2.500 Jahren:

«Die Wachen haben alle eine einzige gemein-

same Welt, im Schlaf wendet sich jeder seiner eigenen zu.»

Jeder tanzt also seinen eigenen Traum!?

Eine besondere Feier des Traums fand in der deutschen Romantik  (Stichwort: «blaue Blume»!) ab dem frühen 19. Jahrhundert statt: Das wichtigste Merkmal der romantischen Träume liegt in deren welterschließendem Potential, denn «das Eindringen in das eigene Selbst ist auch der Schlüssel zur Welterkennung» (Binswanger). Der Traum steht für die Vollständigkeit des Subjekts, umfasst seine freie Aktivität und den glückenden Moment; er ist Tätigkeit und ein Teil des Bildungsprozesses.

Novalis ging soweit zu sagen: «Ohne Träume würden wir gewiss früher alt werden.» Den Traum kennzeichnet bei den Romantikern gerade nicht der Mangel wie später bei Freud, der ihn als

«Wunscherfüllung» sieht. Das heißt, was uns in der Realität versagt oder gar verboten sei, lebe sich im Traum aus.

Die 1900 veröffentlichte «Traumdeutung» Freuds begründet die klassisch-moderne Traumlehre/Psychoanalyse, die sich trotz Gegnern (C.G. Jung z.B.) als sehr wirkungsmächtig herausstellte. Der Traum ist der «Hüter des Schlafs», und der Sinn eines jeden Traums ist  die Wunscherfüllung.

Im Traum manifestieren sich verdrängte aktuelle sowie aus der Kindheit stammende Wünsche, die sich häufig in verschlüsselter Form zeigen, wie intime Botschaften, einem Bilderrebus ähnlich. Denn: Bestimmte Inhalte der Psyche erreichen unser Bewusstsein nicht, sie werden durch einen Mechanismus der Verdrängung blockiert («Zensur»); was wir begehren, ist ja sehr oft nicht mit Gesetz und Moral kompatibel. Der Traum jedoch ermöglicht die Wahrnehmung unbewusster Erlebnisse, die im Wachzustand verhindert werden. Die Inhalte des Unbewussten entstehen durch Grundbedürfnisse wie Lust, Durst, Hunger ..., die sich mit «Tages-resten», Erinnerungen und auch Außenreizen (Akustisches z.B.) vermischen. Wir sehen Videoclip-artige Szenenabfolgen, in denen Naturgesetze wie Zeit, Raum, Schwerkraft, aber auch Kausalität nicht existieren, kurzum Traumlogik herrscht, die uns mitunter absurde, grotesk-komische, sogar unsinnig scheinende Bilder beschert. Nach dem Aufwachen können wir uns meist nur noch an Bruchstücke des Geträumten erinnern. (Eine 1:1 Rekonstruktion ist schon deshalb unmöglich, weil Bilder sehen und über Bilder sprechen nie identisch werden.) Dieser manifeste Traum (Oft rufen wir: «Ach, so ein Blödsinn!») hat gemäß Freud einen verborgenen, nämlich den latenten Trauminhalt, den er mithilfe freier Assoziation aus dem Unbewussten holen will, um so das Verdrängte (das Problem, den Konflikt, die Neurose...) zu erkennen. Die latenten Traumgedanken werden bei der Traumarbeit verschoben und verdichtet, um sie unkenntlich zu machen, sie so zu verhüllen und ‚einzukleiden’, dass sie für den manifesten Traum akzeptabel sind. Der Sinn ist versteckt. Die Verdichtung zeigt sich in Phänomenen wie ‚Sammelpersonen’ (eine Person repräsentiert mehrere) oder ‚Mischpersonen’ (eine einzige Person hat Merkmale, Eigenschaften verschiedener Leute), ‚Mischorten’ (Tokyo-Berlin-Salzburg verschmelzen zu einem Ort), ‚Mischgegenständen’ oder in völlig heterogenen Mischgebilden aus Objekten und Personen. Häufig verballhornen sich auch Wörter zu Kofferwörtern («Schwein- heiliger»...Ich finde den Scheinheiligen= Heuchler ein Schwein, und im Traum verdichtet sich das.). Die Verschiebung funktioniert häufig nach dem Prinzip: das Wesentliche wird in ein Detail gekehrt oder umgedreht. So wird der Hass auf eine Person auf sein Hobby, das Schachspielen z.B., verschoben. Oder dass ich im Traum verfolgt werde, bedeutet real, dass ich selbst etwas verfolge. Insbesondere aber werden sexuelle Inhalte symbolisiert. (Treppen, Leitern, Fliegen, Pistole ...Alle können sich selbst etwas dazu denken!!)  – Die Analysearbeit nach Freud liegt im umgekehrten Prozess, den hinter dem manifesten Trauminhalt verborgenen Sinn zu suchen, also alles Verschlüsselte zu decodieren, um zum Kern einer Störung/Neurose zu gelangen und den Menschen zu heilen – im geglückten Fall. -  (Gerade dass Freud ausschließlich den Sexual- und den Todestrieb im Spiel sah und die Systematisierung vieler Traumbilder zu einer aus heutiger Sicht oft banalen Symbolik geriet, wurde ihm auch vorgeworfen.)

Informationstechnisch nüchtern heißt es heute in neurobiologischen Theorien:  Prozesse des Gehirns, vergleichbar der digitalen Datenver-arbeitung eines Computers. Reizimpulse, chaotisch zusammengeführte Wahrnehmungssignale und Gedächtnisreste im neuronalen «Netzwerk» in der Gehirnrinde  -  daraus entstehen unsere Träume. (Und die Existenz einer Psyche lehnen nicht wenige Forscher ab.) Auf  Videos sehen wir vollverkabelte, an EEGs angeschlossene Menschenköpfe und daneben die Bildschirme mit den übertragenen Untersuchungsergebnissen: Sonderbare Graphiken voller «Gekritzel», fast wie Sudelblätter, dem Traum auf der Spur... Und irgendwann wird der «Traumscanner» besser «lesen» können...

Ja, was geht da wohl vor sich, wenn wir träumen??

Noch sind unsere Trauminhalte nicht von Maschinen direkt enträtselbar. Wir, die Träumenden, können uns selbst nie an alles Geträumte erinnern.

Sicher ist jedenfalls, dass wir während des Schlafs immerzu träumen, unser Gehirn also immer aktiv ist, auch wenn unser Körper in der REM-Tiefschlafphase wie gelähmt erscheint. In anderen Traum- Schlafphasen kann auch er sich stark bewegen. Ein Umstand, den Sportler bereits zur Optimierung ihrer Motorik nutzen – unter Zuhilfenahme von Klartraum-Techniken, die bewusstes und teilweise gesteuertes Träumen ermöglichen. Traum als Trainingsraum...

Die Traumaktivität umfasst viele Spielarten und Grenzphänomene des Träumens: Da ist einmal das Tagträumen, in das wir laut Forschung etwa alle 1 1/2 Stunden hinübergleiten, erotischer Wunschtraum, Alptraum, «Prophezeiung», Gaukelwerk der Imagination/Phantasmagorie, Trugbild, Nachtvision, Halluzination, Phantasie, Klarträumen/ luzides Träumen....

Und: Auch blind Geborene träumen.

Was der Traum vermag, ist enorm. Er kann uns «reparieren», weissagen, warnen, erschrecken, besänftigen, enthüllen, befreien, vergessen lassen...

Er verhilft uns zu einer singulären Form von Gegenwart: Was durch ihn zu uns spricht an untergegangenen, an verlorenen Menschen, Tieren, Objekten, Räumen ... reicht bis ins Archaische zurück und hat die Kraft einer Erscheinung. Die Frage ist, ob wir uns dem «Welträtsel» nähern können, indem wir das zulassen, wozu uns der Traum auffordert  - nämlich zu einer Transformation. Das bedeutet ein Aufwachen/Erwachen zu einer anderen Form von Bewusstsein: ein Wechsel von einem Zustand in einen anderen. Ein Appell zur Verwandlung. Er verweist nicht nur auf die Vergangenheit, die in der Gegenwart neu durchlebt wird, sondern eröffnet auch Möglichkeiten für die Zukunft. Der Traum kann eine Verknüpfung zwischen Ereignissen herstellen, die 1000 Jahre auseinanderliegen. (Baudelaire träumte sich oft als 1000-jähriger.)

Der Traum ist also eine Art Signal für gerade entstehende Dinge. Er deutet auf etwas hin, was dabei ist, an die Oberfläche zu gelangen und wovon der Träumende noch nichts weiß, was ihn ängstigt oder worauf er hofft. Seine vorausschauende Qualität gibt oft Anstoß zu einer Handlung. Traumziel ist das Prinzip Futur II: Ich werde gewesen sein. Ich werde gemacht haben. Der Traum sorgt dafür, dass wir eine Zukunft für möglich halten können, die Gegenwart anders wahrnehmen, wenn wir im Traum die Vergangenheit neu verstehen.. Der Traum entfernt uns nicht von der Welt, sondern bringt sie uns näher. (Vielleicht gerade der Alptraum?) Er gibt die Sicht frei für eine erweiterte Wirklichkeit. «Träumen heißt: durch den Horizont blicken.» (afrikanisches Sprichwort)

Es geht darum, dass alles in der Wirklichkeit, was dem Verstand nicht zugänglich ist, gesättigt ist mit Traumbildern, Hirngespinsten und Wahrnehmungssplittern. Diese folgen einer Dramaturgie, die der Wirklichkeit innewohnt, aber gleichzeitig ihrem Gegenpol, denn der Traum ist Teil der Realität. Man verlässt diese nicht, im Gegenteil, man begibt sich erst in sie hinein, denn letzten Endes ist die Wirklichkeit voller Rätsel. Kein menschliches Leben ohne Traum. Ich bin Akteur, Regisseur und Bühnenbildner in einer Person. - Es gibt Tage ohne Erinnerung an Träume, und es gibt Tagträume, in denen zwischen Wachsein und Träumen ein ständiges Hin- und Hergleiten herrscht. Erst ein Handyklingeln, eine Zugansage oder eine Frage, wie sie der portugiesische Autor Pessoa (im Brotberuf Büro-Angestellter) im «Buch der Unruhe» (posthum1982) schildert, unterbricht uns:

«Die Unterbrechung meiner Träume schockiert mich nicht. Weil sie so sanft sind, träume ich sie weiter fort unter all dem Reden, Schreiben, Antworten und Unterhalten. Und durch das alles hindurch geht die verlorene Teestunde (Anm.: Er träumt von den alten Tanten seiner Kindheit.) zu Ende, und das Büro schließt...»

«The dream is real» ist das Glaubensbekenntnis von Ch. Nolans Film Inception. Das Leben ist ein Traum heißt es bei Calderon de la Barca.

Was alles möglich ist:

– _Wir glauben zu träumen, aber eigentlich sind wir wach.

– _Wir glauben wach zu sein, aber wir träumen.

– _Das Leben ist so wunderlich, dass es uns als Traum erscheint.

– _Der Traum ist Teil der Realität.

Fest steht eins: Dass wir auf dieser Welt ohne Träume endgültig verrückt würden!

Kafka würde uns bestimmt zustimmen.

Von ihm gibt es 60 Druckseiten Traumnotizen,

und alle seine Werke widersetzen sich einer völligen Entschlüsselung, sie bleiben ‚Traum-durchwirkt'.

Karin Anna Ruprechter-Prenn